Der Aufstieg der Glasfaser basierten Datenkommunikation begann vor etwa 50 Jahren, als die zuvor hohe Dämpfung von Glasfasern zunehmend unter Kontrolle gebracht wurde. In den neunziger Jahren wurde das Wellenlängenmultiplexverfahren (WDM) eingeführt. Die Entfernungen zwischen den erforderlichen Verstärkern waren nun so groß, dass der Einsatz der Glasfasertechnologie in Telekommunikationsnetzen wirtschaftlich rentabel wurde. Dass diese Technologie zum wichtigsten Baustein öffentlicher Kommunikationsnetze geworden ist, verdanken wir auch der Bereitschaft von Telekommunikationsunternehmen (Provider) und Herstellern, ihre jeweiligen Errungenschaften und Bedarfe miteinander zu teilen. Diese teilweise konkurrierenden Parteien arbeiten gemeinsam an neuen Standards, damit optische Netzwerke herstellerübergreifend leichter betrieben werden können.

Dabei stehen drei Aspekte im Fokus. Die effiziente Ausnutzung der Kapazitäten einer Glasfaser, eine einfache Betreibbarkeit der Infrastruktur und eine gute Kompatibilität der Komponenten zueinander.

Damit sie bei der Gerätebeschaffung möglichst auf eine Alternative setzen können, machen sich die Telekommunikationsunternehmen ungern von einem einzelnen Hersteller abhängig. Das Risiko bei nur einem Lieferanten in Lieferengpässe, technologische Sackgassen oder Ressourcenabhängigkeiten zu laufen, wird als zu hoch eingeschätzt. Daher wird in der Regel angestrebt, große Netze mit Produkten unterschiedlicher Hersteller auszustatten, die gut miteinander interagieren. Für Hersteller bringt die Standardisierung von Komponenten den Vorteil, dass die Entwicklung und Produktion allgemeiner Komponenten, die ohne Innovationspotential sind, bei Bedarf ausgelagert werden kann. Für diese Ziele engagieren sich Provider und Hersteller in Gruppen und Gremien. Einen recht hohen Bekanntheitsgrad haben Organisationen wie die ITU, ISO, IEEE, IETF, BBF oder MEF, die Spezifikationen für Telekommunikationsnetze erstellen. Teilweise beschäftigen sich die von diesen Gruppen erstellen Dokumente auch mit optischen Elementen. Neben diesen Gruppen gibt es weitere Gruppen, die sich um Nischen- oder Teilbereiche der Telekommunikationsnetzstandardisierung kümmern und daher einen geringeren Bekanntheitsgrad besitzen.

Die folgenden Abschnitte beschreiben kurz und prägnant vier dieser weniger bekannten Standards bzw. Gremien, die die Weiterentwicklung von optischen Kommunikationsnetzen unterstützen.

Open ROADM

ROADM (Rekonfigurierbare Optische Add Dropp Multiplexer) sind eine Weiterentwicklung von OADM. Mit OADMs können einzelne Lichtwellenkanäle (Single Wave) aus einem Multiplex-Signal (Muti-Wave), das mehrere Modes enthält, entnommen oder diesem hinzugefügt werden. Ähnlich wie bei einer Weiche ermöglicht OADM die Umschaltung von Lichtwellenkanälen.

Im Gegensatz zu OADMs, deren Konfiguration statisch eingestellt wird, können ROADMs aufgrund ihrer flexiblen Schaltfunktionen rekonfiguriert werden. ROADM werden aus mehreren Modulen (z.B. MUX/DEMUX, WSS/MCS, DIR, ILA, VOA) zusammengesetzt und besitzen Aus-/Eingänge (Ports) mit genormten (z.B. durch IETF) Schnittstellen oder Aufnahmemöglichkeiten für Steckverbinder (Pluggables) Die Rekonfigurationsinformationen werden über eine Netconf/YANG Schnittstelle mit einem Steuerungssystem ausgetauscht.

ROADM (Rekonfigurierbare Optische Add Dropp Multiplexer)

Das Ziel des Open ROADM-Projektes besteht darin, die Herstellergebundenheit bei der Auswahl von Steuerungssystemen und ROADM-Modulen zu reduzieren.  In einem Multisource-Agreement (MSA) werden drei Schwerpunkte, (Pluggable Optics, Transponder/Xponder, ROADM Module) genannt, für die es Verbesserungen hinsichtlich der Interoperabilität geben soll. Darüber hinaus soll die Nutzung der Funktionen des Software Defined Networking (SDN) erleichtert werden.

Namhafte Hersteller haben OpenROADM-Fähigkeiten in einigen ihrer Elemente implementiert. Weiterhin ist OpenROADM zu einem Basiswerk herangereift, aus dem weitere Entwicklungen (z.B. Open ZR) hervorgegangen sind. Allerdings wartet das gesamte Framework noch auf eine breitere Umsetzung bei den Herstellern.

Common Management Interface Specification (CMIS)

CMIS wurde ursprünglich von der QSFP-DD Multi-Source Agreement (MSA) Group als Management Schnittstelle für unterschiedliche Steckmodule von Netzelementen entwickelt. Dabei sind Steckmodule für Kupferkabelanschlüsse, und auch Module für Single-Mode- und Multimode-Glasfasern eingeschlossen.

CMIS spezifiziert Anwendungsszenarien in Implementation Agreements (IA), die den Einsatz von Modulen in unterschiedlichen Umgebungen ermöglichen. Die Fähigkeit, sowohl das Modul als auch die Funktion des Modules zu beschreiben, ist eine Eigenschaft, die CMIS flexibel einsetzbar macht.

Die Versionen nach CMIS 5.1 werden vom OIF (Optical Internetworking Forum) weiterentwickelt und verwaltet.

Mobile Optical Pluggables Alliance (MOPA)

MOPA wurde im Jahr 2021 gegründet. Die Gruppe arbeitet an Branchenvereinbarungen zur Verbesserung optischer Pluggables (kleine Steckverbinder), die den Aufbau von leistungsstarken 5G- und zukünftigen 6G-Netzen unterstützen. Insbesondere optische Lösungen, die zu den hohen Anforderungen kritischer Teile von Mobilfunknetzen (Fronthaul, Backhaul) passen, werden in technischen Dokumenten beschrieben. Zu den kritischen Teilen gehören die Optimierung der Synchronisation von Signalen und die Minimierung der Auswirkungen der chromatischen Dispersion (CD) zur Erhöhung der Zuverlässigkeit der Informationsübertragung. Bei den Lösungen werden hohe Datenraten und vorhandene, geeignete Technologien (z. B. farbige oder graue Optik, WDM, Pakettransport) berücksichtigt.

Telecom Infra Project (TIP)

In TIP bündeln Telekommunikationsdienstleister, Forschungseinrichtungen, Technologiepartner, Systemintegratoren und andere ihre Fähigkeiten, um Lösungen für die Welt der Telekommunikation zu entwickeln. Die TIP-Spezifikationen zielen darauf ab, das Management und die Kontrolle von Telekommunikationsinfrastrukturen über Anbietergrenzen hinweg zu verbessern. Die Open Optical & Packet Transport (OOPT)-Projektgruppe des TIP arbeitet an verschiedenen Bereichen der optischen Transportnetzwerke. Sie verfolgt eine basislegende Standardisierung von Technologien, Architekturen und Schnittstellen in optischen und IP-Netzwerken. Insbesondere der Austausch von Steuerungs- und Managementinformationen liegt bei TIP OOPT im Fokus. Die aktuellen Projekte TIP MUST und TIP MANTRA werden folgend kurz vorgestellt.

  • Mandatory Use Case Requirements for SDN for Transport (TIP MUST)

Das MUST-Projekt dient der Einführung von SDN-Standards für unterschiedliche Transporttechnologien (z.B. IP/MPLS, Optik oder Funk). Unterschiedliche Architekturansätze werden diskutiert und vorgestellt. Für eine Zielarchitektur werden Grundlagen zu Schnittstellen und Datenmodellen erarbeitet, die zur Geräte- und Dienstverwaltung genutzt werden können.

  • Metaverse ready Architectures for Open Transport (TIP MANTRA)

Die MANTRA-Gruppe des TIP hat das Ziel, die Interoperabilität an den Übergangsbereichen des optischen Netzes zu verbessern. Hierzu zählen technische (z.B. optischer Transport zu IP-Transport) und organisatorische (z.B. Übergänge zwischen Anbietern) Bereiche. Für die Integration müssen Management- und Steuerungssysteme die Signale und Signalinformationen an den Übergängen nahtlos zusammenfügen. Oft werden an diesen Übergängen kohärente, steckbare Transceiver eingesetzt. Ein wertvolles Resultat der MANTRA Aktivitäten wäre es, diese so zu standardisieren, dass sie hersteller- und betreiberübergreifend die jeweils notwendigen Daten empfangen, auswerten, generieren und versenden können.

Open Config

OpenConfig ist ein Open-Source-Projekt, das von Netzwerkbetreibern, Geräteherstellern und anderen unterstützt wird. Im Kern entwickelt die Gruppierung Netzmodelle, die Objekte zum Austausch betrieblich relevanter Netzmanagement-Informationen umfassen.

Die OpenConfig-Gruppe verfolgt den Ansatz, jeweils eigene Modelle für managementrelevante Bereiche von Telekommunikationsnetzen zu entwickeln, die miteinander kombiniert werden können. Dadurch bleibt eine große Flexibilität für den Einsatz der Modelle erhalten. Die Modelle können dadurch zum Management von unterschiedlichen Arten von Netzelementen genutzt werden und kommen auch bei optischen Netzen zum Einsatz. Als Basis für die Modelle wird die Modellierungssprache YANG (IETF RFC 6020) genutzt.

Fazit

Die im Jahr 2015 gegründete OpenROADM-Initiative ist die älteste der im Rahmen dieses kurzen Artikels vorgestellten Gruppierungen. Kurz darauf, im Jahr 2016, wurden die OpenConfig- und TIP-Initiativen gegründet.

Die Ergebnisse der OpenROADM-Anstrengungen werden teilweise von namhaften Herstellern angewendet. OpenConfigs modulare Ansätze bieten den Herstellern viel Freiheit, was zu einer höheren Akzeptanz seitens der Hersteller führt. Das TIP-Konsortium verfolgt in den Projekten MUST und MANTRA Ziele, die besonders für Provider von großem Interesse sind. Die erst im Jahr 2021 gegründete MOPA entwickelt Spezifikationen, die für Entwicklungen des Backbone von Mobilfunkanbietern von Interesse sind und neue Anwendungen wie z.B. Industrial Augmented Reality ermöglichen können.

Hersteller und Provider leben voneinander und miteinander. Durch gemeinsame Bemühungen können trotz unterschiedlicher Interessen große Dinge wie die optischen Netzwerke entstehen. Die Standardisierung von Komponenten ermöglicht ein herstellerübergreifendes Zusammenspiel der Netzkomponenten.

Es ist inspirierend, zu erleben, wie Menschen ihre Kreativität und Zeit, trotz unterschiedlicher Interessen, gemeinsam nutzen. Diese Zusammenarbeit fördert nicht nur den technischen Fortschritt, sondern auch das gegenseitige Verständnis und die Verbundenheit zwischen Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen.

 

Verwendete Quellen:

Abkürzungen:

  • ITU: International Telecommunication Union
  • ISO: International Organization for Standardization
  • IEEE: Institute of Electrical and Electronics Engineers
  • IETF: Internet Engineering Task Force
  • BBF: Broadband Forum
  • MEF: Globaler Branchenverband von Netzwerk-, Cloud- und Technologieanbietern
  • SRG: Shared Risk Groups
  • MUX/DEMUX: Multiplexer/De-Multiplexer
  • WSS: Wavelength Selective Switchs
  • MCS: Multicast Switchs,
  • DIR: Direction/Degree-Modules
  • ILA: In Line Amplifiers
  • VOA: Variable Optical Attenuators
  • SDN: Software Defined Networking
  • IP: Internet Protocol
  • MPLS: Multiprotocol Label Switching