In Zeiten von ausgeprägtem Home-Office mussten viele die Erfahrung machen, dass ihr Heimnetz den Ansprüchen der Home-Office Applikationen nicht entsprach. Wenn stotternde Videos, verstümmelte Sprache und träge Applikationen zur alltäglichen Erfahrung werden, verderben Stress und Frustration das Erlebnis, von zu Hause aus arbeiten zu können. Die Ursachen dafür liegen häufig darin, wie das Heimnetz und insbesondere das WLAN eingerichtet ist. Denn dieses wurde in den meisten Fällen weniger auf die Bedürfnisse eines Heimarbeitsplatzes als auf die Bedürfnisse einer privaten Nutzung hin konzipiert.

Doch solche Situationen lassen sich auch leicht in eine Unternehmensumgebung übertragen, in der WLAN als ursprünglich komplementäre Technologie immer mehr zur dominierenden Zugangstechnik wird. Daher verlangt die zunehmende Komplexität der WLAN-Umgebungen im geschäftlichen wie privaten Umfeld Verfahren, die die Nutzung des von allen genutzten Mediums „Funk“ organisiert und verwalten.

In den vorangegangenen Beiträgen unserer Serie „WLAN QoS“ sind wir bereits darauf eingegangen, wie man möglichst optimale Bedingungen für eine WLAN-Nutzung schaffen kann, doch wenn mehrere Geräte des Heimnetzes im WLAN miteinander konkurrieren, sind weitere Verfahren nötig, um die Qualität zu beeinflussen.

In diesem Beitrag werden wir uns damit befassen, wie man die Fairness im WLAN kontrollieren und beeinflussen kann und dazu ein Verfahren zur Umsetzung von WiFi-Policies vorstellen. Ein anderes Verfahren, welches mit WiFi Multimedia (WMM) bezeichnet wird, begegnet einem in nahezu jedem WiFi fähigen Endgerät, worauf wir in einem weiteren Artikel eingehen werden. Beide Verfahren können sich einander ergänzen.

Mit der Einführung des Standards IEEE802.11ax haben sich die Möglichkeiten für QoS im WLAN sehr stark erweitert, was die Aussicht auf weitere Beiträge in diesem Blog stark erhöht.

Airtime Policy

Mit „Airtime Policies“ versucht ein WiFi-Accesspoint (AP) die Ressource Airtime den angeschlossenen aktiven Stationen in fairen Anteilen zuzuordnen. Airtime ist die Zeit, die ein AP selbst zum Senden nutzen kann, er also weder selbst empfängt noch das Medium „Funk“ von benachbarten WiFi Systemen gerade belegt ist. Das hier vorgestellte Verfahren beruht darauf, die verfügbare „Airtime“ entsprechend einer Gewichtung den angeschlossenen Stationen zukommen zu lassen. Gleichgewichtige Stationen sollen nach Möglichkeit einen gleichwertigen Anteil an Airtime erhalten.

Organisatorisch lassen sich so unterschiedliche Policies umsetzen.

Ist das WLAN in mehrere logischen Netze (BSS) unterteilt, dann kann jedem BSS ein eigenes Gewicht zugewiesen werden und die zustehende Airtime verteilt sich in Summe auf die BSS entsprechend der vorgegebenen Gewichtung. Damit können einzelne BSS priorisiert oder depriorisiert werden. Hinzu kommt die Möglichkeit die Bandbreite für ein BSS zu begrenzen. Es ist aber auch möglich, jeder Station eines AP ein eigenes Gewicht zuzuweisen, womit eine besondere Priorisierung einzelner Stationen realisierbar wird.

Die technischen Grundlagen dieses Verfahrens sind in der Veröffentlichung „PoliFi: Airtime Policy Enforcement for WiFi“ von Toke Høiland-Jørgensen, Per Hurtig und Anna Brunstrom [arXiv:1902.03439v1] beschrieben.

Beispiel: Airtime Policies Enforcement für Nutzergruppen

Ein typischer Anwendungsfall von Airtime Fairness ist eine Aufteilung der WLAN-Nutzung zwischen verschiedenen logischen WiFi-Netzen, beispielsweise für Angestellte, Gäste oder für spezifische Gruppen von Geräten. Über den oben vorgestellten Mechanismus kann man so dafür sorgen, dass jedes logische WiFi-Netz das WLAN im zugewiesenen Maß nutzen kann.

Das folgende Beispiel aus unseren Laboruntersuchungen demonstriert diesen Effekt. Es zeigt Durchsatzmessungen von zwei annährend gleichwertigen WiFi-Clients, die sich jeweils in einem eigenem BSS befinden (wifiprobe_red in BSS1 und wifiprobe_blue in BSS2). Das linke Bild zeigt das Ergebnis, wenn die Gewichte von BSS1 und BSS2 gleich sind. Beide WiFi-Probes haben in etwa den gleichen Durchsatz. Im danebenstehenden Bild sind die Gewichte auf das Verhältnis 2:1 verändert und die Datenraten entsprechen diesem Verhältnis recht gut.

 

Datarate at different airtime ratios

Bei systematischen Untersuchungen haben wir die Verhältnisse der Gewichte für die BSS zwischen 1:1 und 4:1 verändert und die Summen der in den BSS erzielten Durchsatzmessungen ins Verhältnis gesetzt. Wie die Abbildung unten zeigt, passen die gemessenen Verhältnisse gut zu den erwarteten Werten. Sowohl für UDP- wie für TCP-Verkehre verhalten sich die gemessenen Verhältnisse nahezu wie in den Airtime Policies eingestellt.

Erwartetes und gemessenes Verhältnis der Summenraten

Beispiel: Airtime Policies Enforcement für die Priorisierung von Endgeräten

Als abschließendes Beispiel wollen wir noch die Anwendbarkeit des Verfahrens zur Priorisierung von Endgeräten anführen. Gerade in Zeiten des Home-Office ist es häufig nützlich, dem Notebook beim Homeworking ausreichend WLAN-Nutzung zumindest temporär zuzusichern, damit es nicht zu nervigen Qualitätsausfällen kommt. In der nachfolgenden Darstellung ist am Beispiel von vier Geräten mit UPD Verkehr gezeigt, wie der Mechanismus genutzt werden kann, um einem Gerät (grün) für eine gewisse Zeit einen nahezu dreifachen Anteil an WLAN-Nutzung zuzuweisen. Dieser Vorgang kann, wie man sieht, unterbrechungsfrei ausgeführt werden.

Device Prioritization

Einige Nachteile dieser Methode seien aber auch angesprochen. Diese bestehen insbesondere darin, dass Hersteller der WiFi Chip-Sets und deren Firmware diese Funktionalität nicht immer unterstützen. So findet man zur Zeit leider nur wenige Geräte, die dieses Feature anbieten und bei denen es sich über die GUI konfigurieren lässt. Darüber hinaus gibt es einige Konstellationen, in denen Änderungen der Airtime Policies zu kurzzeitigen Unterbrechungen der WLAN-Übertragung führen können. Jedoch halten wir es für einen großen Vorteil, die Qualität der WLAN-Nutzung mit dieser Methode in einem gewissen Rahmen quantitativ beeinflussen zu können.